Schüleraustausch Wisconcin

„You ‚re welcome!“

Am Donnerstag, den 1. Oktober 1992, begannen für 16 ELS-Schüler (zwei davon aus dem Abi Jahrgang!!!) und zwei bekannten Persönlichkeiten aus dem Lehrerkollegium, nämlich Uwe Szerator und Enno Aissen, drei erlebnisreiche Wochen in Amerika. Der erste Schüleraustausch mit der Lincoln Senior-High in Manitowoc, Wisconsin, wurde mit großen Erwartungen (und einige Anfangsschwierigkeiten) angetreten. Man stellt sich vielleicht die Frage, was Enno Aissen als Nicht Anglist in Amerika sucht. Da zwei Lehrer ausfielen hat sich Enno am Tag vor der Abreise freundlicher weise dazu durchgerungen, als zweite Begleitperson mitzureisen. Start war am Bad Nauheimer Bahnhof, wo wir uns nach Abschiedsszenen in einen vollbesetzten Zug quetschten, um mit voller Ausrüstung den Frankfurter Flughafen zu erreichen. Wir flogen mit North West über Detroit nach Milwaukee und wurden mit einem typisch amerikanischen Schulbus abgeholt Spät abends kamen wir dann endlich in Manitowoc an der Schule an, wo wir herzlich von unseren Gastfamilien in Empfang genommen wurden. Durch sieben Stunden Zeitverschiebung und die lange Reise war jeder froh, als er in seinem neuen Zuhause gleich mal das Bett testen konnte. Am nächsten Morgen begann der zweiwöchige Schulbesuch, der (leider) Pflicht war. Dort fand die wiederum sehr herzliche, offizielle Begrüßung und Einweisung statt. Unser Verbindungslehrer war Edward Rappe, der mit Begeisterung seine Deutschkenntnisse für uns mobilisierte, die er sich damals bei der Army angeeignet hatte. Jedem wurden ein Locker (tückisches Abschließfach, mit dem einigt Probleme hatten) und ein individueller Stundenplan zugeteilt, wobei anzumerken ist, dass an jeder Schultag dieselben Unterrichtsstunden stattfinden, das Fächerangebot jedoch wesentlich vielfältiger ist als bei uns. Sport wird großgeschrieben, und es gibt eine große Auswahl an technischem Unterricht, z.B.  Kfz-Werkstatt, mehrere Computerräume, Nähräume usw.. Besonderer Beliebtheit erfreute sich der Kochunterricht, der völkerverbindende Funktionen übernahm: wir kochten abwechselnd amerikanisch und deutsch (wobei vor allem die deutschen „Gerichte“, wie Apfelpfannkuchen und Strammer Max, nicht immer unbedingt landestypisch ausfielen). Merkwürdig schmeckten auch die „amerikanischen“ Taccos, die K. K. (Namen bitte bei der Redaktion erfragen) besser selber gegessen hätte, denn wir lechzten bei jedem Bissen nach Wasser! An diesem ersten Freitag stand auch das traditionelle „Homecoming“ auf dem Plan, bei dem die ehemaligen Schüler zu ihrer Schule zurückkehren. Wir wurden in dieses große Ereignis mit einbezogen, indem uns die Ehre zuteilwurde, bei der Pep-Rally, einer Art Parade, auf einem Pick-up mitzufahren Ein Mitglied unserer Gruppe schwenkte patriotisch die Deutschlandfahne und sang mit geschwellter Brust „In München steht ein Hofbräuhaus“. So ersparten wir uns das Laufen zum Stadion, in dem ein Footballspiel gegen eine andere Schulmannschaft stattfand. Es wurde erwartungsgemäß gewonnen Die Stimmung wurde durch kreischend hüpfende Cheerleaders angeheizt, und auch die schuleigene Marchingband gab eine Vorführung ihres Könnens (Schombi wäre vor Neid erblasst). Die Reihe der festlichen Anlässe beschloss am Abend der groß angekündigte Homecoming-Ball. Eigens zu diesem Ereignis hatten wir unsere Festgarderobe mit nach Amerika geschleppt. Damit waren wir die Hauptattraktion des Abends, weil unter den amerikanischen Gästen wohl nicht bekannt war, wie man sich zu einem Ball kleidet, und sie somit allesamt in amerikanischer Tracht (Jeans, T-Shirt und Turnschuhe) erschienen. Da die Amerikaner sich anscheinend nur auf Schmuseblues verstanden, tanzten wir Deutschen wild in Ballkleid und mit Fliege auf Techno. Die Wochenenden gestalteten die Familien individuell. Zum Beispiel wurden Boots-und Campingtouren Shopping in Mails, Ausflüge in naheliegende größere Städte, Theaterbesuche, Bar-hopping und noch viele andere Unternehmungen gemacht. Hierbei sollte auch die geographische Lage Manitowocs erwähnt werden: Es liegt im Norden der USA am Ufer des Lake Michigan, der zu den Großen Seen gehört (für alle die nicht Schumacher in EK hatten!).Der Großteil der Bevölkerung dieses Bundesstaates ist deutschstämmig oder hat polnische Vorfahren. Wisconsin ist in Amerika ein wichtiges Agrarland und für Milchprodukte, insbesondere für seinen typischen Käse, bekannt. Manitowoc speziell ist als Schiffsbaustadt berühmt. Im Oktober kann man dort den „Indian Summer“ erleben, in dem die Natur in Farben explodiert. Einige der Teilnehmer waren von dem See, der dem Betrachter wie ein Meer erscheint, derart begeistert, dass sie sogar ein Bad wagten. Es sei angemerkt, dass es wenige Tage darauf schneite! Um uns allen Gastfamilien vorzustellen, fand ein Pot Luck Supper im School Forest statt. In dem dort gelegenen schuleigenen Haus stellte sich jeder Austauschschüler persönlich vor und schilderte die bis zu diesem Zeitpunkt gewonnen Eindrücke. An diesem Abend gewannen wir tiefere Einblicke in die amerikanische Esskultur – Marshmellows fand man sogar im Obstsalat, und mit Getränken wie Root Beer (Limo mit Kaugummigeschmack), Cream Soda, Dr. Pepper und ähnlichem Gebräu mussten wir unseren Durst löschen. Bemerkenswert war auch hier die freundschaftliche und gastfreundliche Atmosphäre, der wir fast überall begegneten. Der nächste Tag wurde als Museumstour gestaltet. Wir besuchten zunächst das Manitowoc County Court House, wo wir vom Richter eingewiesen wurden, und dann sogar an einer echten Verhandlung teilnehmen durften. Der äußerst engagierte Richter bat zu Beginn den Angeklagten, laut und deutlich zu sprechen, da eine deutsche Schülergruppe anwesend sei! Dann stand das Manitowoc Maritime Museum auf dem Plan. Dort gab es jede Menge Schiffsmodelle und nautische Gegenstände zu sehen, und es war uns möglich, ein echtes amerikanisches U-Boot aus dem 2. Weltkrieg zu besichtigen, wovon besonders Herr Szerator entzückt war. Daraufhin fuhren wir nach Pincrest Village, einem Museumsdorf, ähnlich dem Hessenpark. Typische Siedlerhäuser, wie man sie aus Westernfilmen kennt, sowie eine alte Dampfeisenbahn, waren dort ausgestellt. Zwei Tage später setzten wir unsere Museumstour fort und ließen uns von Enno*und Uwe in gemieteten Kleinbussen nach Green Bay fahren, wo wir das Oneida Indianer Museum besichtigten. Dort erführen wir einiges über die Eingeborenen dieser Region. Weiter ging es ins Neville Public Museum, in dem hauptsächlich Bären und andere landestypische Tiere ausgestellt waren. Nach einer kurzen Visite am (heiligen) Green Bay Packers FootballStadion fuhren wir zum Einkaufen in die riesige Port Plaza Mall, die alle verführte, sich mit Klamotten einzudecken. Abends machten wir uns gemeinsam zu der Disco Back 40’s auf, zu der uns Uwe Szerator als Bodyguard mitgeschickt wurde, da einige amerikanische Eltern Angst um ihre Kinder hatten. Wie vorauszusehen war, entpuppte sich diese „Spelunke“ als eine völlig harmlose Teeniedisco, in der wir als deutsche Gäste mehrmals am Abend vom DJ begrüßt wurden. Unser Bodyguard langweilte sich derweil an der Bar. Einige Schultage später traten wir die Fahrt zu einer der Hauptattraktionen unserer Reise an: Chicago! Wahnsinnig beeindruckt waren wir von den Wolkenkratzern, die sich endlos aneinanderreihten, und gegen die die Frankfurter „Skyline“ ein Witz ist. Hier sind Hochhäuser modernen und alten Stils vereint, was das typische Bild Chicagos ausmacht. Unser Quartier befand sich in einer Kirche inmitten der Stadt, in der wir auf Matratzen die Nacht zu verbringen hatten. An diesem ersten Tag besuchten wir das Art Institute, ein Kunstmuseum erster Klasse, und den Sears Tower, das höchste Gebäude der Welt mit 1454 ft Höhe, Der Anblick Chicagos aus dieser Perspektive war überwältigend. Leider wurde uns die Sicht auf das nächtliche Lichtermeer von Chicago durch eine urplötzlich aufziehende Wolkenwand versperrt. Das Fastfood „Abendessen“, an das wir uns bereits gewöhnt hatten, nahmen wir im Rock (n‘ Roll Mc Donald’s ein, dem der obligatorische Besuch im Hard Rock Cafe folgte. Die Nacht auf dem Boden war geprägt von gegenseitiger Angstmacherei vor herumlungernden, kriminellen Streetgangs, die in dieser Gegend ihr Unwesen treiben. Ein Original amerikanisches Frühstück in einer Bar machte uns fit für das bekannte Kino Biograph (vor dem Amerikas Staatsfeind Nr. 1 John Dillinger erschossen wurde), das Shed Aquarium and Oceanarium (voller exotischer Meeresbewohner) und das Museum of Science and Industry (vergleichbar mit dem Deutschen Museum). Den Abschluss dieses zweitägigen Aufenthaltes bildete ein zweistündiger Stau mit anschließender dreistündiger Heimfahrt. Die ganzen drei Wochen über wurden viele private Partys veranstaltet, bzw. freiwillige Einladungen nicht direkt beteiligter Amerikaner bereicherten unser Programm. So wurden wir z.B. auf eine Elkfarm eingeladen, auf der wir vom Besitzer auf seinem Pick-up querfeldein über sein riesiges Anwesen kutschiert wurden und zwei Herden Wild beobachten konnten. Toll fanden wir die Einladung dieser Familie zum anschließenden Cook-out, einem Fish-boil mit Seeforelle. Dies ist eine Spezialität Wisconsins und schmeckte unheimlich gut (wohlgemerkt hatte diese Familie nicht das geringste m unserem Austauschprogramm zu tun – das ist amerikanische Gastfreundschaft!!!). Eingeladen wurden wir auch von einer Gastfamilie zu einem Essen am Lagerfeuer. Gut in die Halloweenzeit, in der di Häuser auf verrückteste Art geschmückt werden, passte die Einladung zu einer vorgezogene Halloweenparty, zu der sich die meisten auch verkleideten, so wie es Sitte ist. In kleinerem Kreis wurden auch noch mehrere Strandpartys mit Bonfire (und gegrillten Marshmellows) veranstaltet. Extra für uns organisierte die Schule zwei Sportabende, an denen wir das (schuleigene) Schwimmbad und di Turnhalle ausgiebig benutzen durften. Außerdem konnten Mitglieder unserer Gruppe als Repräsentanten an allerlei öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen. Das Interview für eine Zeitung und da Auftreten in einer Live-Radio Sendung stellten dabei die Höhepunkte dar. Amüsant fanden wir alle, besonders bei einem Besuch der Junior High, die immer gleichen Fragen der amerikanischen Schüler nach deutschen Gewohnheiten. Tauchten doch immer wieder die Fragen nach dem Tempolimit auf unseren Autobahnen, dem Mindestalter für Alkoholkonsum (in Amerika 2 Jahre!!!), dem Vorhandensein von Fernseher, Mikrowelle und ähnlichen Geräten auf. Den seltsamen Vorstellungen der Amerikaner von Deutschland zufolge könnte man vermuten, dass wir hier im Mittelalter zurückgeblieben sind und uns ausschließlich mit Pferden fortbewegen. Um unsere Eindrücke abschließend zusammenzufassen, können wir über die Amerikaner sagen, da wir ihre Herzlichkeit und Gastfreundschaft sehr zu schätzen wussten und wir uns äußerst wohl und willkommen in den USA fühlten. Auffällig erschien uns das ausgeprägte Nationalbewusstsein der Amerikaner. Als Kritikpunkte wären unserer Meinung nach folgende zu erwähnen: der Mangel a Umweltbewusstsein und die Ernährung, die zum großen Teil aus Fastfood besteht und dabei auch sehr viel Müll verursacht. Auch ziehen wir das deutsche Schulsystem dem amerikanischen mit seiner geringeren Leistungsdruck und dem zu eintönigen Stundenplan vor (weil mir wolle ja was lernen gelle!,?! … Just kidding). Nichtsdestoweniger konnten alle, auch wegen des ausgezeichneten Gruppenzusammenhaltes, diese drei Wochen als vollen Erfolg und unvergessliche Erfahrung verzeichnen, denn wir hatten den „American Way Of Life“ hautnah erlebt! Im Moment laufen die Vorbereitungen für den Gegenbesuch der Amerikaner im Juli auf Hochtouren Wir wünschen unseren amerikanischen Freunden eine ebenso herzliche Aufnahme und erlebnisreich Wochen in Good Old Germany!

Sabine Walke & Sebastian Schultheis

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